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*Business first *23.10.2013
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*ADDIS ABEBA*/BERLIN
(Eigener Bericht) - Die Regierung Äthiopiens, ein enger Verbündeter
Deutschlands in Ostafrika, lässt Oppositionelle und missliebige
Journalisten in einer Haftanstalt in Addis Abeba systematisch misshandeln
und foltern. Das berichtet die Menschenrechtsorganisation *Human Rights* Watch.
Demnach ist die Repression in Äthiopien in den vergangenen Jahren "immer
gewaltsamer" geworden. In derselben Zeit hat die Bundesregierung ihre
Zusammenarbeit mit dem
Regime<
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in Addis Abeba intensiviert. Hintergrund sind geostrategische Erwägungen:
Äthiopien gilt als Regionalmacht, die am *Horn von Afrika* im Sinne des
Westens Ordnungsfunktionen ausübt - etwa in Somalia - und auch darüber
hinaus Hilfsdienste für die Berliner Afrika-Politik leistet. In jüngster
Zeit mehren sich zudem Plädoyers aus der Wirtschaft, deutsche Firmen
müssten ihre Geschäftstätigkeiten in Äthiopien erheblich ausweiten, um
nicht völlig hinter China zurückzufallen. Einige Unternehmen lassen
schon *Kleidung
und** **Schuhe<
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* in dem Land fertigen - für Monatslöhne in Höhe von 20 Euro. Stabile
Rahmenbedingungen garantiert das repressive Regime.
*Misshandlung und Folter*
Scharfe Kritik an der Regierung Äthiopiens übt die
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Wie die Organisation in
einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht schreibt, werden Insassen
der Haftanstalt "Maekelawi" mitten in der Hauptstadt Addis Abeba immer
wieder misshandelt und gefoltert. "Unter den Gefangenen sind Hunderte
Oppositionspolitiker, Journalisten, Organisatoren von Protesten und
angebliche Unterstützer von ethnischen Aufständen", heißt es [1]; ihnen
würden der Zugang zu Anwälten verweigert und Wasser und Nahrung entzogen,
sie würden geschlagen und an den Handgelenken aufgehängt [2]. Human Rights
Watch zufolge hat sich die Repression in der Zeit seit der blutigen
Niederschlagung der Opposition im Jahr 2005 drastisch verschärft. Zwei 2009
verabschiedete Gesetze hätten dies noch beschleunigt: ein
"Anti-Terror-Gesetz", das gegen die Opposition und gegen Journalisten
angewandt werde, und ein "NGO-Gesetz", durch das insbesondere
Menschenrechtsorganisationen in ihrer Arbeit gravierend eingeschränkt
würden.
*Nützlicher Verbündeter*
Die Zeit, in der das Regime in Addis Abeba seine Repression verschärft hat,
ist zugleich die Zeit, in der die Bundesregierung ihre Kooperation mit dem
Regime intensivierte. Dies begann mit einem umfassenden Ausbau der
sogenannten Entwicklungskooperation im Jahr 2005 [3], dem weitere deutsche
Hilfsmaßnahmen folgten - militärpolitische Unterstützung inklusive [4].
Hintergrund der Zusammenarbeit ist, dass Addis Abeba in den
außenpolitischen Strategien der Bundesrepublik eine bedeutende *Rolle spielt
* - als Regionalmacht am Horn von Afrika, die etwa in Somalia
Ordnungsvorhaben im Sinne des Westens umsetzt [5], aber auch als Hilfskraft
bei Militäreinsätzen in anderen afrikanischen Staaten dient [6]. Seit
Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen, dass Berlin wegen des
Nutzens, den Äthiopien für die westliche Afrika-Politik hat, selbst schwere
Menschenrechtsverletzungen durch das Regime toleriert - Verbrechen, wie sie
anderswo bei Bedarf zur Begründung von Interventionen aller Art genutzt
werden. Dabei baut die Bundesregierung die Kooperation immer weiter aus;
zuletzt besuchte im März Bundespräsident Gauck Addis Abeba.
*"Nicht China das Feld überlassen"*
Zusätzlich dringen seit geraumer Zeit auch deutsche Wirtschaftskreise
darauf, die Kooperation mit Äthiopien zu intensivieren. Ursache ist der
Konkurrenzkampf gegen die Volksrepublik China. Zwar sei in dem Land, das
nach wie vor zu den ärmsten *der Welt* zählt, ein "schnelle(s) Geschäft
(...) wohl nicht zu machen", schrieb bereits Ende 2012 die bundeseigene
Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (gtai).[7] Doch sei man
"schlecht beraten, die rasch expandierende Wirtschaft Äthiopiens zu
ignorieren und den Chinesen das Feld gänzlich zu überlassen". Für einen
Ausbau ökonomischer Aktivitäten "sollten das landwirtschaftliche Potenzial
sowie die gefundenen und noch vermuteten Bodenschätze allein Grund genug
sein", hieß es weiter. Bleiben deutsche Investitionen noch aus, so steigt
inzwischen der Handel<
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- wenn auch mit großen Schwankungen - deutlich an und dürfte sich bald
einem Jahresvolumen von rund einer halben Milliarde Euro nähern.
*Das neue Bangladesh*
Besonderes Interesse gilt in jüngster Zeit der äthiopischen
Textilindustrie. Die Branche zählt zu denjenigen, auf deren Aufbau sich die
äthiopische Regierung in herausragendem Maß konzentriert; man rechne sich
Chancen aus, mit Textilfabriken auf dem Weltmarkt zu bestehen, heißt es in
Addis Abeba. In der Tat hat etwa "H und M" kürzlich angekündigt, man wolle
zukünftig in Äthiopien produzieren; Testaufträge seien bereits vergeben
worden. Günstig sei nicht nur die Lage des Landes: Über die Häfen am Roten
Meer, etwa in Djibouti, sei ein schneller und vergleichsweise billiger *
Transport*** <
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nach
Europa möglich. Vor allem aber lockten Niedrigstlöhne: Die Stückkosten
erreichten in dem ostafrikanischen Land nur die Hälfte derjenigen in China,
erklären Analysten.[8] "Das bitterarme Land" werde "zum neuen Bangladesh",
kommentieren Medien.[9] Der Aufbau der äthiopischen Textilindustrie ist in
den letzten Jahren von der deutschen Entwicklungsagentur GIZ unterstützt
worden. Betriebe, in denen deutsche Entwicklungshelfer tätig waren,
lieferten ihre Waren anschließend etwa an den deutschen Discounter Aldi.
Inzwischen produziert unter anderem der deutsche Schuhhersteller Ara
(Langenfeld/Rheinland) in Äthiopien. Ara (Jahresumsatz 2011: 550 Millionen
Euro) zahlt seinen Arbeiterinnen dort für eine 40-Stunden-Woche rund 20
Euro im Monat.[10]
*Geschäftsgelegenheiten*
Erst letzte Woche hat - bereits zum zweiten Mal - eine "German Ethiopian
Economic Conference" (GEECON) für den Ausbau der deutschen
Wirtschaftstätigkeiten in Äthiopien geworben. Der Schwerpunkt von GEECON
habe auf der Textil- und Lederbranche gelegen, teilten die Veranstalter -
darunter neben dem Ethiopian German Forum (EG-Forum) um den Gründer des
Deutsch-Äthiopischen Studenten- und Akademikervereins (DÄSAV), Samuel
Estifanos, auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln - mit.
Unterstützt worden sei die Konferenz nicht nur von den Bundesministerien
für Landwirtschaft sowie für Entwicklung, sondern auch von der
bundeseigenen Entwicklungsagentur GIZ. Auf dem Programm stand eine Debatte
darüber, was "Äthiopiens meistversprechende Geschäftsgelegenheiten für
deutsche Unternehmen" seien - und welche "Anreize" die äthiopische
Regierung ihnen bieten könne. Als Redner angekündigt war unter anderem der
äthiopische Staatsminister für Industrie.
*Kern der deutschen Politik*
Menschenrechtler protestieren. Es sei bekannt, dass Veranstaltungen wie
GEECON letztlich "dem autoritären Regime in Äthiopien dienen", erklärt
Seyoum Habtemariam vom Ethiopian Human Rights Committee. Dennoch würden sie
von deutschen Regierungsstellen regelmäßig unterstützt. "Menschenrechte
sind Nebensache, wenn es um Äthiopien geht, wo Misshandlung und Folter an
der Tagesordnung sind", sagt Habtemariam: "Das Geschäft und
Sonder-bedingungen für deutsche Unternehmen zählen, über
Menschenrechts-verbrechen sieht man dabei hinweg. Das ist seit Jahren Kern
der deutschen Politik gegenüber dem äthiopischen Regime." Aus Sicht der
Bundesregierung, die zuvörderst für deutsche Interessen und deutschen
Einfluss kämpft, ist das freilich konsequent: Solange ein Regime ihre
Interessen bedient, besteht kein Grund, es ernsthaft zu kritisieren.
Weitere Informationen zur deutschen Äthiopien-Politik finden Sie hier: *
Schlüsselpositionen*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/53300>
, *Regionale Hegemonialmacht*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/53494>
,*Sonderbericht*
<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56596>, *Interessen
der Supermächte* <
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56682>,
*Ordnungsmächte*
<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57027>, *Militär
für Afrika (I)*
<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57124>,
*Menschenrechte
in Afrika (I)* <
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57280>,*Machtpolitisch
ohne Alternative* <
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57816>,
*Diktatorenhilfe* <
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57910>,
*Inhärent rassistisch*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57909>
, *Disziplinierungshilfe*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57945>
, *Ordnungsmacht in
Ostafrika*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57985>
,*Kein Platz für
Menschenrechte*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57984>
, *Stütze der Repression*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58016>
, *Statthalter des
Westens*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58098>
, *Folternder Statthalter*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58173>
und *Einen Freund
verloren*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58408>
, *Die Ruhe des
Dampfdrucktopfs*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58468>
und *Die Prioritäten der Machtpolitik
(II)*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58564>
.
[1] Äthiopien: Politische Gefangene gefoltert; www.hrw.org 18.10.2013
[2] "They Want a Confession". Torture and Ill-Treatment in Ethiopia's
Maekelawi Police Station, Human Rights Watch, October 2013
[3] s. dazu *Unveräußerliche
Rechte*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56101>
und *Governance-Aspekte*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56274>
[4] s. dazu *Diktatorenhilfe*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57910>
und *Statthalter des
Westens*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58098>
[5] s. dazu *Interessen der
Supermächte*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/56682>
und *Ordnungsmächte*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57027>
[6] s. dazu *Statthalter des
Westens*<
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58098>
[7] Wirtschaftstrends Äthiopien Jahreswechsel 2012/13; www.gtai.de
[8] H und M will Kleidung in Äthiopien produzieren lassen; www.wsj.de16.08.2013
[9] Textile Hoffnung für Äthiopien; www.dw.de 24.08.2013
[10] Äthiopiens Schuhträume; www.3sat.de 05.09.2013
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58718
Received on Wed Oct 23 2013 - 16:47:44 EDT