Die Zahl eritreischer Asylgesuche in der Schweiz sinkt – laut Beobachtern unter anderem wegen erschwerter Flucht und besserem Lohn für Armeeangehörige des Landes.
Die Zahl der Asylgesuche von Flüchtlingen aus Eritrea ist seit letztem Jahr zurückgegangen. So beantragten im Juli 2016 gemäss den neusten Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) 738 Eritreer in der Schweiz Asyl, das sind 1392 weniger als im Juli letzten Jahres. Migrationsexperten machen mehrere Gründe dafür aus:
• Schwierigere Reise
Laut SEM hat sich die Zahl der Eritreer, die über das zentrale Mittelmeer nach Süditalien gelangten, im Vergleich zu 2015 halbiert. «Es kommen weniger Flüchtlinge über die Mittelmeer-Route, weil die Reise durch Libyen gefährlicher geworden ist und das Mittelmeer nicht so ruhig ist wie letztes Jahr», sagt Constantin Hruschka von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
• Teurere Schlepper
«In den sozialen Medien wird berichtet, dass die Schweiz als Transitland nach Deutschland und Schweden nicht mehr so durchlässig ist. Das hat aber lediglich zur Folge, dass die Schlepper-Preise ansteigen», sagt Toni Locher, Honorarkonsul des Staates Eritrea in der Schweiz. Die Schlepperpreise seien aber ohnehin gestiegen, da der Transit von Äthiopien durch den Sudan teurer geworden sei, weil die EU und die Frontex neu mit dem Sudan zusammenarbeiten. Das würde den Transit für Eritreer erschweren.
• Schwierige Jobsuche
«Als ich im Mai und Anfang Juli in Asmara war, sagten mir die jungen Männer in den Internet-Cafés Folgendes: Es gelte immer noch das gute Image der Schweiz als recht ideales Zielland», berichtet Toni Locher. Die Eritreer würden aber Berichte über das lange Warten in den Asylzentren und die schwierige Jobsuche lesen.
• Italien kontrolliert strenger
Laut SEM haben dieses Jahr rund ein Drittel der Personen aus Eritrea bereits in Italien ein Asylgesuch gestellt, deutlich mehr als noch 2015. Die Zunahme der Gesuche in Italien führt Hruschka auf zunehmende Registrierungen bei den Grenzkontrollen zurück.«Seit letztem September ist die erklärte Anstrengung der Politik, die Flüchtlinge bereits im Ankunftsland zu registrieren. Viele der Asylsuchenden, die in der Schweiz ankommen, sind bereits in Italien registriert, sodass in der Regel auch Italien für das Asylverfahren zuständig ist.» Dadurch würden auch weniger Asylgesuche in der Schweiz gestellt, was den Rückgang teilweise erkläre.
• Willkommenskultur in Deutschland
Gemäss SEM registriert Deutschland eine steigende Zahl eritreischer Asylsuchender. «Der Ruf ist für die Asylsuchenden ein wichtiger Entscheidungsfaktor bei der Wahl des Ziellandes», sagt Hruschka. Die Flüchtlinge kämen oft in Europa an, ohne viel über die einzelnen Länder zu wissen. «Wer nicht dorthin geht, wo er bereits Familie oder Bekannte hat, der verlässt sich oft auf den Ruf, den ein Land hat.»
Besonders viele Eritreer ziehe es darum nach Deutschland, das als sehr offen gegenüber Flüchtlingen wahrgenommen werde, obwohl man dort sehr lange warten müsse, um sich registrieren zu lassen. «In die Schweiz kommen die Eritreer eher, wenn schon Verwandte oder Bekannte hier wohnen», so Hruschka. Der Anstieg der Zahlen in Deutschland habe aber auch damit zu tun, dass die Behörden letztes Jahr überfordert waren und Flüchtlinge, die bereits 2015 ankamen, erst 2016 registriert wurden.
• Eritrea zahlt besser
Laut Locher ist in Eritrea auch ein sogenannter Push-Faktor geringer geworden: Der bisher «sehr geringe» Lohn von umgerechnet 32 bis 50 Franken in der Armee sei vervierfacht worden. «Die Nationaldienst-Leistenden erhalten rückwirkend auf den 5. Juli 2015 einen Lohn, der über dem Durchschnittslohn einer Krankenschwester oder eines Ingenieurs liegt. Da wird es sich angesichts der Horrorreise über Libyen manch ein Junger überlegen, ob er nicht lieber doch in Eritrea bleibt.» Laut SEM beschreiben Menschenrechtsberichte die Bedingungen im eritreischen Militär jedoch als sehr problematisch. Rekruten und Soldaten seien in grossem Ausmass der Willkür ihrer Vorgesetzten ausgeliefert. Bereits geringe Vergehen gegen die militärische Disziplin könnten willkürlich zu drakonischen Strafen bis hin zu Schlägen und Folter führen. (the)